Was ist von den Meldungen zu halten, daß Nord Stream 2 wiederbelebt werden soll?
Gemäß „Bild“-Recherchen sollen seit mehreren Wochen geheime Gespräche in der Schweiz hinsichtlich Inbetriebnahme der Nord Stream 2 Pipeline stattfinden – mit dem Ziel den Gasfluss von Russland nach Deutschland wiederzubeleben. Was ist von diesen Meldungen zu halten?
Laut Bild-Informationen soll US-Sondergesandter Richard Grenell mehrfach nach Zug, wo sich die Zentrale der Betreibergesellschaft befindet, gereist sein um über die Inbetriebnahme der Nord Stream 2 zu verhandeln. Hierbei sollen die USA als Zwischenhändler auftreten um das russische Gas durch eine der 2 Pipelines der Nord Stream 2 nach Mecklenburg-Vorpommern zu leiten. Neben dem möglichen finanziellen Profit könnten die USA die Gasversorgung Deutschlands kontrollieren. Über die zweite, reparaturbedürftige, Pipeline der Nord Stream, könnte nach einer Reparatur grüner Wasserstoff aus Finnland nach Deutschland strömen - darüber berichtete unter anderem auch das Handelsblatt. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Berichte nicht.
Gem. Bild-soll auch Matthias Warnig, ehemaliger Geschäftsführer von Nord Stream 2 und enger Vertrauter von Präsident Putin in die Verhandlungen eingebunden sein. Warnig soll eine Schlüsselrolle spielen - so die Financial Times. Laut US-Regierungsquellen sei Donald Trumps Umfeld über Warnigs Beteiligung informiert.
Die deutsche Bundesregierung sei bislang nach Angaben nicht in die vertraulichen Verhandlungen involviert gewesen. Aus Regierungskreisen wird berichtet, dass man keinerlei Kenntnis von Grenells Treffen in der Schweiz habe. Grenell selbst, so wie auch Warnig, dementieren eine Beteiligung an den solchen Gesprächen.
Wie umgehen mit solchen Meldungen. Fakt ist, dass beide Pipelines des Nord Stream 2 Systems nicht zertifiziert sind da die Bundesnetzagentur das Zertifizierungsverfahren ausgesetzt hat. Folglich können beide Pipelines nicht genutzt werden. Gem. Bundesnetzagentur kam eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert gewesen wäre. Die Nord Stream 2 AG, mit Sitz in Zug in der Schweiz, hat sich damals entschlossen nicht die bestehende Gesellschaft umzuwandeln, sondern eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Leitung zu gründen. Diese Tochtergesellschaft sollte Eigentümerin des deutschen Teilstücks der Pipeline werden und dieses betreiben. Die Tochtergesellschaft hätte selbst die Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes an einen Unabhängigen Transportnetzbetreiber erfüllen müssen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie die Europäische Kommission wurden im Vorfeld entsprechend informiert. Die Entscheidung wurde den Verfahrensbeteiligten bekanntgegeben und anschließend veröffentlicht.
Es ist schwer vorstellbar, dass über die Inbetriebnahme eines Stranges der Nord Stream 2 ohne Beteiligung der deutschen Bundesregierung diskutiert wird – quasi Entscheidungen ohne Einbeziehung Deutschlands getroffen werden – zumal eine Inbetriebnahme eines Stranges der Nord Stream sicherlich als Affront gegenüber den anderen EU-MS, die ja die Sanktionen gegen Russland mittragen, gesehen werden könnte. Ebenfalls würde die Inbetriebnahme einer der beiden Leitungen die Pläne der EU, nämlich den kompletten Ausstieg aus russischem Erdgas bis 2027, konterkarieren.
Aus der Sicht der USA könnte die Inbetriebnahme eines Stranges der Nord Stream 2 zu Zielkonflikten führen. Einerseits könnte die Trump Administration die Ukraine noch mehr unter Druck setzen um diese in eine Art von Diktatfrieden gegenüber Russland zu führen da Russland durch den Verkauf von Erdgas über die Nord Stream 2 wieder Mehreinnahmen generieren – somit den Krieg verstärkt finanzieren könnte. Zusätzlich könnten zwischengeschaltete US-Gashändler gut verdienen und Deutschlands Energielandschaft maßgeblich beeinflussen. Andererseits könnte Trump damit gegen die Interessen der US-LNG-Industrie arbeiten da diese ja ihr Erdgas in einem relativ hochpreisigen Markt, nämlich der EU, verkaufen wollen. Erdgas aus Russland würde den Preis wahrscheinlich nach unten drücken. Ob Präsident Trump dann noch mit dem Slogan „Drill baby, drill“ bei den seinen Wählern und Wählerinnen punkten könnte bleibt fraglich.