Eine differenzierte Betrachtung
Gemäß den aktuellen Daten der AGGM (Austrian Gas Grid Management AG) ist der Erdgasverbrauch in Österreich im Kalenderjahr 2024 leicht gesunken – von 75,1 TWh im Jahr 2023 auf nunmehr 74,5 TWh. Dies zeigt die rote Linie in der nachstehenden Grafik (Quelle: AGGM).

Was auf den ersten Blick wie eine Einsparung erscheint, bedarf jedoch einer genaueren Analyse und Interpretation. Betrachtet man die Anzahl der Heizgradtage – 3275 im Jahr 2023 im Vergleich zu 3209 im Jahr 2024 – ergibt sich ein Rückgang von über 2%. Im Vergleich dazu ist der Erdgasgesamtverbrauch lediglich um 1,4% gesunken.
Unter Berücksichtigung des Anteils des Erdgasverbrauchs, der für die Raumwärmeerzeugung verwendet wird, wird deutlich, dass die Einsparungen weniger signifikant sind als zunächst vermutet. Zudem befindet sich die Wirtschaft in einer Rezession, was den Erdgasverbrauch ebenfalls beeinflusst. Irreführende Jubelmeldungen über einen strukturellen Rückgang des Erdgasverbrauchs sind daher derzeit verfrüht.
Wichtige Analysen zur Bewertung des Erdgasverbrauchs
Für fundierte Aussagen über die langfristige Entwicklung des Erdgasverbrauchs sollten zusätzlich folgende Aspekte analysiert werden:
- Erdgasverbrauch im Energiesektor 2024 im Vergleich zu 2023:
Es ist wichtig, die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Elektrizitätserzeugung durch erdgasbefeuerte Kraftwerke zu berücksichtigen. Insbesondere Ereignisse wie die Dunkelflaute in Deutschland, die zu hohen Strompreisen in Deutschland und Österreich führte, spielen hierbei eine Rolle. Dies zeigt auch die Herausforderungen der bisherigen Energiewende in Deutschland auf. - Auswirkungen der Aktion „Heizungstausch“:
Es gilt zu analysieren, in welchem Umfang diese Maßnahme den Erdgasverbrauch beeinflusst hat und ob nachhaltige Effekte sichtbar werden. - Entwicklung des Produktionsindex in Österreich 2024:
Ein Rückgang des Produktionsindex (z. B. Volumensindex) kann darauf hinweisen, dass die Industrie weniger produziert hat oder vorübergehend auf andere Brennstoffe umgestiegen ist. Ein Vergleich mit dem Beispiel Deutschlands für 2023 kann dabei zusätzliche Erkenntnisse liefern.

Schlussfolgerungen zur Erdgasentwicklung
Anhand dieser Daten lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob die Rückgänge im Erdgasverbrauch vorübergehend oder dauerhaft sind. Bei unwiederbringlichen Einbrüchen stellt sich die Frage, ob Unternehmen:
- ihre Produktion eingestellt haben,
- eine Einstellung planen, oder
- ihre Produktion ins Ausland verlagert haben bzw. verlagern werden.
Die möglichen Konsequenzen – wie Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, das Steueraufkommen oder die wirtschaftliche Stabilität – müssen hierbei berücksichtigt werden.
Bedeutung sorgfältiger Analysen für strategische Entscheidungen
Die Interpretation dieser Entwicklungen ist essenziell für:
- die Weiterentwicklung des Österreichischen Nationalen Energie- und Klimaplans (ÖNIP),
- die Planung von Gasnetzstilllegungen unter Einbeziehung der Raumwärmeplanung,
- den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur aus zeitlicher und ökonomischer Perspektive,
- die Entwicklung einer CO₂-Infrastruktur im Rahmen einer Carbon Management Strategie (CCUS) unter Berücksichtigung der Regelungen des Net Zero Industry Acts.
Durch fundierte Analysen und eine langfristige Planung können wichtige Weichen für die Zukunft der österreichischen Energieinfrastruktur gestellt werden.